„Was der Vater schwieg, das kommt im Sohne zum Reden und oft fand ich den Sohn als des Vaters entblößtes Geheimnis.“
Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra
Die auf Glaubensvorstellungen und empirischen Erfahrungen beruhenden Annahmen von familiären Verstrickungen und Übertragungen über Generationen hinweg sind mittlerweile in verschiedenen Fachwissenschaften bestätigt. Wie sich kriegsbedingte Erfahrungen auf die kommenden Generationen auswirken und wie wir die Konflikte unserer Vorfahren erben können, wird in diesem Workshop skizziert.
Von der Antike bis heute findet sich weltweit in literarischen Verarbeitungen die Vorstellung, dass sich Verdrängtes und unbearbeitete Lasten einer Generation in der folgenden zeigen und auswirken können. Beispiele finden sich bereits in der Bibel, wo der HERR trotz seiner Barmherzigkeit niemand ungestraft lässt, sondern die Missetat der Väter an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied heimsucht. Über die Forschungen zu Holocaust, Trauma, Humangenetik und Entwicklungspsychologie ist eine Vererbung traumatischer Erfahrungen belegt. Bei Mäusen werden Traumafolgen über vier Generationen übertragen, was nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auch für den Menschen zutrifft. Nicht verarbeitete Traumata werden dissoziiert und abgekapselt und können sogar Veränderungen im Gehirn bewirken. Eine Vererbung von Traumata von einer Generation auf die nächste ist eine Kombination aus psychologischer und biologischer Übertragung und kann in den folgenden Generationen nur noch schwer verortet werden.
In dem zweitägigen Seminar führe ich in das Thema ein und berichte von den Kriegsenkelgruppen in Deutschland.
In der zweiten Hälfte geht es um einen persönlichen Erfahrungsaustausch und um die Bewusstmachung dessen, was noch von den Erfahrungen, die unsere Vorfahren im 2. Weltkrieg gemacht haben, in uns (den nachfolgenden Generationen) wirkt. Auch werden wir der Frage nachgehen, ob es einen Ausstieg gibt und wenn ja, welchen und was hilft.